Im Schweizer Milchmarkt ist die Fromarte einer der am wenigsten umstrittenen Verbände. Anders als die bei den Milchproduzenten ungeliebte frühere Käseunion oder der frühere Schweizerische Milchkäuferverband SMKV wird die SMKV-Nachfolgeorganisation Fromarte von den meisten Marktteilnehmern akzeptiert und respektiert.

Die 500 gewerblichen Käsereien, die Mitglieder des Dachverbandes Fromarte sind, verarbeiten die Milch von rund 8000 Schweizer Milchproduzenten jährlich zu 130'000 Tonnen Käse, vorwiegend Naturkäse aus silofreier Milch. Das sind zwei Drittel der gesamten Schweizer Käseproduktion.

Bis 1999 war die Milchverwertung in der Schweiz staatlich geregelt

DossierProduktion und VerarbeitungMilchmarkt SchweizDienstag, 21. Februar 2023 Heute kann und will man sich das gar nicht mehr vorstellen: Bis 1999 verordnete der Bund jedem Schweizer Milchproduzenten eine garantierte Milchmenge mit einem garantierten Abnahmepreis.

In der 1. Verarbeitungsstufe wurde auch den Käsern quer durch die ganze Schweiz ein Kontingent zu einem bestimmten Preis verordnet. Die Käser konnten nicht selber bestimmen, wie viel Milch sie zu welchem Käse verarbeiten durften.

Staatlich verordnet wurde die Produktion von Emmentaler, Le Gruyère, Appenzeller und Sbrinz. Halbhartkäse und Weichkäse durften nur mit Bewilligung des Bundesrat produziert werden. Aus der Käse-Vielfalt wurde politisch angeordnet eine Käse-Einfalt.

Der Staat subventionierte dafür den Export über die Käseunion – de facto ein Wirtschaftskartell zur Absatzförderung von Hartkäse – mit riesigen Summen und kannibalisierte damit den eigenen Markt. So wurde zum Beispiel der Emmentaler in Italien unter den Herstellungskosten verkauft.

In den 1990er-Jahren wurden die Käse-Exporte mit 1 Milliarde Franken pro Jahr unterstützt – und die Konsumenten im Ausland daran gewöhnt, dass sie hochwertigen Schweizer Hartkäse zum Dumpingpreis kaufen können.

1999 wurde der Schweizer Käsemarkt liberalisiert

1999 wurde der Schweizer Käsemarkt liberalisiert. Seither wird Käse nach Angebot und Nachfrage produziert, und die Produktionskosten der Milchproduzenten werden vom Bund mit nicht produktionsgebundenen Direktzahlungen gedeckt.

Für Fromarte war 1999 ein einschneidendes Datum. Gab es vorher 1600 Dorfkäsereien, zählt Fromarte heute nur noch 500 Mitglieder.

«Die Dorfkäsereien konnten sich vor allem in den Randregionen halten, die verkehrstechnisch nicht so gut erschlossen sind», erklärt Hans Aschwanden, seit 2012 Präsident von Fromarte, dem Dachverband der gewerblichen Käsereien der Schweiz. Im Flachland sei der Sammeltransport in Grossbetriebe einfacher, dem konnten die kleinen Käsereien im Flachland nichts entgegen halten.

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Darwins Theorie für Käsereien: Nur die Stärksten überleben

So brutal es klingt, im Sinne der darwinschen Evolutions-Theorie überlebten nur jene gewerblichen Käsereien, die sich nach 1999 am besten der neuen Milchmarktordnung anpassen konnten: Survival of the Fittest.

«Gewerbliche Käsereien, welche diese Zäsur überlebt haben, sind dafür fitter und innovativer im Markt», sagt Hans Aschwanden mit Blick auf die heutige Käserei-Landschaft.

Die Käser können heute jede gewünschte Käse-Sorte produzieren. In der Schweiz herrscht wieder eine Käse-Vielfalt mit über 450 Sorten. Vom Hartkäse bis zum Weichkäse, vom Frischkäse über den Bergkäse bis zum Alpkäse, vom Bauernkäse bis zum Hobelkäse.

Mit der neuen Milchmarktordnung änderten sich auch die Aufgaben für den SMKV. Neben der politischen Interessensvertretung sind neu auch Dienstleistungen gefragt, welche die gewerblichen Käser in einer Branchenlösung nutzen können.

Mit diesen neuen Aufgaben änderte der SMKV seinen Namen in «Fromarte – die Schweizer Käsespezialisten».

Emmentaler, Sbrinz und Tilsiter kämpfen mit der Liberalisierung

Für die gewerblichen Schweizer Käser war der Übergang zur neuen Landwirtschaftspolitik eine riesige Herausforderung. Am 1. Juni 2007 wurde der Käsehandel zwischen der Schweiz und der EU vollständig liberalisiert.

Jeglicher Grenzschutz für das wichtigste Schweizer Milchprodukt ist seither gegenüber der EU aufgehoben. Die gewerblichen Käsereien wurden vom geschützten System mit staatlichen Garantien direkt in den kompetitiven internationalen Käse-Wettbewerb geworfen.

Wohl aus diesem Grund versteht sich Fromarte nicht nur als Dienstleister, sondern ausdrücklich auch als «politische Stimme aller Käsehersteller, nicht nur der gewerblichen Käsereien», erklärt Hans Aschwanden.

Am schwersten fiel die Umstellung den Emmentaler-, Sbrinz- und Tilsiter-Käsereien. Als Hans Aschwanden seine Lehre zum Käser machte (wie die Milchtechnologen damals noch hiessen), wurden 56'000 Tonnen Emmentaler produziert. Heute sind es nur noch 15'000 Tonnen Emmentaler AOP, «über 73 Prozent der Produktion sind weggebrochen», erklärt Aschwanden.

Der Grund dafür ist in den 1990er-Jahren zu finden, als Emmentaler von der Käseunion im Ausland zu Ramsch-Preisen verkauft wurde. Zum realen Preis wäre nie soviel Emmentaler verkauft worden. «Die 15'000 Tonnen von heute entsprechen dem realen Markt», stellt Hans Aschwanden fest.

Unterschiede der Sprachregionen und der Sortenorganisationen

Im neuen System gibt es aber auch Gewinner, zum Beispiel den Gruyère AOP. Der Gruyère wurde im Unterschied zum Emmentaler weniger als «Regulierprodukt» missbraucht – und sein Geschmack polarisiert weniger als der nussige Geschmack des Emmentalers. So konnte die Gruyère-Produktion von 22'000 Tonnen (2007) auf heute 33'000 Tonnen gesteigert werden.

Eine interessante Feststellung macht der Fromarte-Präsident beim Vergleich der Sprachregionen: «In der Romandie sind die Sortenorganisationen und die Käsereien auch im Konkurrenzkampf miteinander. Aber der Spirit ist ganz anders als in der Deutschschweiz. In der Romandie glühen die Käser für ihre Sorte.»

Getrenntes Marketing und Verkauf ist auf dem Markt «eher schwierig»

Ein anderes Problem sieht Hans Aschwanden im Konstrukt der verschiedenen Sortenorganisationen, in denen die Dachorganisation Fromarte sozusagen ex officio vertreten ist.

«In den meisten Sortenorganisationen müssen drei komplett verschiedene ‹Familien› miteinander zurecht kommen: Milchproduzenten, Käser und Handel. Das macht die Sache nicht einfacher.»

Bei fast allen Käsesorten sind zudem Marketing und Verkauf getrennt, was Aschwanden «eher schwierig» findet.

Und im Verkauf konkurrieren sich beim Gruyère AOP gleich 15 und beim Emmentaler AOP sogar 16 Händler, die sich nur über den billigeren Preis abheben können. Zum Vergleich: Beim Tête de Moine stehen sich nur zwei Händler gegenüber.

Diese Probleme müssen die jeweiligen Sortenorganisationen lösen. Die Dachorganisation Fromarte will dabei aber nicht nur zuschauen, sondern aktiv mithelfen.

Je vertikaler die Produktionskette, desto ertragreicher ist die Käserei

Es gibt aber auch gute Beispiele. Beim Sbrinz, dessen Produktion seit 2007 von 1800 Tonnen auf 1289 Tonnen gesunken ist, wurde das Marketing 2023 an Emmi ausgelagert.

Die grösste Schweizer Molkerei verkauft den Extrahartkäse auch und hat das ambitionierte Ziel, den Absatz um jährlich 50 Tonnen zu steigern. «Solche Projekte sehe ich durchaus auch für andere Sortenorganisationen», erklärt Aschwanden.

Je vertikaler die Produktionskette, desto besser. Wofür der Fromarte-Präsident (respektive seit 2022 dessen Tochter Selina Aschwanden und Schwiegersohn Sämi Raschle) selbst das beste Beispiel ist:

Die Bergkäserei Aschwanden in Seelisberg UR kauft die Rohmilch direkt bei 31 Bergbauern.

  • Die Rohmilch wird mit dem eigenen Sammelfahrzeug abgeholt und ...
  • ... in der eigenen Käserei verkäst.
  • Daraus entstehen 180 Tonnen Käse pro Jahr.
  • Die Käse werden zwei bis neun Monate gereift und über den Gross- und Detailhandel in der Schweiz verkauft.
  • Schon seit 2006 verkauft die Bergkäserei Aschwanden ihre Produkte im eigenen Bergkäse Online-Shop.

Nicht alle gewerblichen Käserein werden diesem Beispiel folgen können – oder wollen. Der Strukturwandel lässt sich nicht aufhalten.

Fromarte-Präsident Hans Aschwanden nennt eine Zahl von rund 300 bis 400 gewerblichen Käsereien als realistisch, die auf dem Markt eine Top-Wertschöpfung erzielen können und damit eine Zukunft haben. Was umgekehrt bedeutet, dass 100 bis 200 gewerbliche Käsereien in naher Zukunft aufgeben werden.

Denn eines schliesst Hans Aschwanden aus: «Der Weg zurück in eine Re-Regulierung ist keine Option! Ich möchte nicht in zehn Jahren wieder soweit sein, wie wir 1999 waren.»

Fromarte sichert die wertvollen Liebefeld-Kulturen für die Zukunft

Das vielleicht wichtigste Projekt von Fromarte erwähnt Hans Aschwanden bescheiden in einem Nebensatz:

2018 gründete Fromarte mit den Sortenorganisationen, den Schweizer Milchproduzenten SMP und interessierten Milchverarbeitern die Liebefeld Kulturen AG. Neudeutsch eine Public Private Partnership PPP.

Vorher wollten einige Akteure die Liebefeld-Kulturen – das Resultat über hundertjähriger Forschungstätigkeit der vormaligen Eidgenössischen Forschungsanstalt für Milchwirtschaft FAM – sogar ins Ausland verkaufen.

Diese PPP lässt ein Sortiment von heute 40 Käsekulturen von Agroscope in Liebefeld BE reproduzieren und verkauft die Kulturen danach an die Endbezüger. Damit kann ein wesentlicher Beitrag zur hohen Qualität und Einzigartigkeit von Schweizer Käse geleistet werden.

Das Projekt der Liebefeld Kulturen AG ist weltweit einzigartig. Das hört man oft auch im Ausland. Erst auf wiederholte Nachfrage meint Aschwanden: «Das war wohl die wichtigste Unterschrift in meinem Leben.»

Das Verhältnis der Fromarte zur Branchenorganisation Milch BOM

Ein eigenes Thema ist das Verhältnis zwischen Fromarte und der Branchenorganisation Milch BOM. Fromarte will als Mitglied der BOM den Milchmarkt aktiv mitgestalten. Das verlangt aber oft einen Spagat zwischen zwei sehr ungleichen Marktsegmenten:

  • Die Weisse Linie mit Trinkmilch, Milchgetränken, Rahm und Joghurt, die in einem geschützten Markt aktiv ist.
  • Die Gelbe Linie mit Käseprodukten, die dem offenen EU-Markt ausgesetzt ist.

Dazu kommt die Währungssituation: Zum Zeitpunkt der Grenzöffnung 2007 war 1 Euro stolze 1,68 Franken wert, heute gerade noch 95 Rappen.

«Nur, weil wir den Käse im falschen Land produzieren, sind wir 38 Prozent teurer als die Mitbewerber in den EU-Ländern», stellt Aschwanden ernüchtert fest.

Eine Grenzöffnung für die Weisse Linie ist undenkbar. Deshalb möchte der Fromarte-Präsident «die Verkäsungszulage der Teuerung anpassen, damit wieder alle gleich lange Spiesse haben.» Aber das ist eine andere Geschichte.

Fromarte in Zahlen & Fakten (Stand 2022)

– Milch von 8000 Produzenten
– 500 gewerbliche Käsereien
– 1,1 Mio Tonnen verarbeitete Milch, was einem Drittel der gesamten Milch-Jahresproduktion entspricht
– 130'000 Tonnen Käse, vorwiegend Naturkäse aus silofreier Milch. Dies entspricht zwei Drittel der gesamten Schweizer Käseproduktion, ein Drittel produzieren industrielle Grossbetriebe
– 80 Prozent Anteil am Käse-Exportvon 76'952 Tonnen
– 1000 Millionen Franken Umsatz/Jahr
– 2400 Arbeitsplätze vorwiegend im ländlichen Raum
– Rund 340 Lernende, davon 80 % in gewerblichen Betrieben

Die Geschichte von Fromarte

Der Schweizerische Milchkäuferverband SMKV war die letzte Gruppe im Schweizer Milchmarkt, die sich in einem nationalen Dachverband zusammen schloss. Zuvor gab es schon die Dachverbände:

  • 1887 SMV Schweizerischer Milchwirtschaftlicher Verein
  • 1896 VSKE Verband Schweizerischer Käseexporteure
  • 1906 VSMBKD Verband Schweizerischer Milch-, Butter- und Käse-Detaillisten
  • 1907 ZVSM Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten (ab 1999 SMP Schweizer Milchproduzenten SMP)
  • 1917 gründeten selbständige Käser und Milchkäufer den Schweizerischen Milchkäuferverband SMKV. Zuvor gab es nur regionale Käservereine, in denen die Geselligkeit gepflegt wurde und denen oft auch Lohnkäser und Bauern angehörten.

Federführend bei der Gründung des SMKV war der Schweizerische Milchwirtschaftliche Verein SMV. Dieser konnte die Interessen der Käser-Milchkäufer zu wenig stark vertreten, weil ihm auch die Exporteure und Händler angeschlossen waren.

Neben der Interessenvertretung der Käser-Milchkäufer entwickelte der SMKV auch eine wirtschaftliche Tätigkeit. 1929 übernahm der Verband die Milka Käse AG in Burgdorf BE, bis heute Affineur von Emmentaler AOP und Le Gruyère AOP.

1925 wurde der SMKV Mitglied bei der Schweizerischen Käseunion und 1934 trat er auch der Schweizerischen Zentralstelle für Butterversorgung Butyra bei (heute BOB Butter).

Im Rahmen der neuen Milchmarktordnung wurde der SMKV 1999 in Fromarte umbenannt und erhielt auch eine neue Aufgabe.